2. Dezember 2024
KierspeTop-Themen

Haushaltrede der FWG sorgt für Eklat im Stadtrat

KIERSPE (mk) Die aktuelle Verkehrssituation in der Raukstadt, der Haushalt 2024 und die Anpassung der Elternbeiträge für die Offenen Ganztagsschulen: Auf der Agenda der 19. Ratssitzung standen Beschlussvorlagen für eine ganze Reihe von brisanten Themen. So waren von derzeit 35 gewählten Ratsherren- und Frauen auch 31 anwesend, um darüber abzustimmen. Zumindest über die Entscheidungen, die der Stadtrat selbst treffen kann.

Dazu zählen mögliche Aktionen zur Beruhigung der Verkehrslage nur bedingt. Zwar wurde von der UWG ein Antrag auf “verkehrslenkende Maßnahmen” im Bereich der Kölner Straße (B237) sowie der Friedrich-Ebert-Straße (L528) eingebracht, der von den anderen Fraktionen auf breite Zustimmung stieß, aber damit erst am Anfang einer langen, bürokratischen Reise steht. Welche Etappenziele dabei erreicht werden können, bleibt abzuwarten, angesichts der zahlreichen angestrebten Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssituation in Kierspe. Quer durch alle Fraktionen fühlt man sich dabei vom Märkischen Kreis und von der Landesregierung im Stich gelassen. Steffen Wieland (UWG) bringt es auf den Punkt: “Ich höre immer nur geht nicht, können wir nicht, wollen wir nicht.” Für Lüdenscheid hingegen würden sich immer Lösungen finden lassen. In ähnlichem Wortlaut äußert sich auch Armin Jung, der Vorsitzende der FDP-Fraktion. Deutlichere Worte wählt Peter Christian Schröder: “Am besten machen wir Kierspe zu und schmeissen den Schlüssel weg.” Im Verlauf der Ratssitzung griff der Fraktionsvorsitzende der FWG noch zu drastischerem Vokabular.

Zu Beginn der Ratssitzung hatte Bürgermeister Stelse berichtet, welche Neuigkeiten es rund um den Themenkomplex “Verkehrssituation” zu vermelden gibt. Entgegen der eigenen Einschätzung des Bürgermeisters nicht wenig, wie Ratsherr Oliver Busch findet. Bereits fünfmal wurden die erst neu installierten Poller an der Friedrich-Ebert-Straße umgefahren und mussten ersetzt werden. Ampelblitzer zur Erfassung von Rotlicht-Verstößen wurden vom Kreis abgelehnt, und die Feinstaubbelastung auf der Kölner Straße sowie der Friedrich-Ebert-Straße reicht nach Berechnungen des Landesamtes für Natur‑, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) nicht aus, um Kierspe in die Messstellenplanung für das kommende Jahr einzubeziehen. Immerhin: Der Neubau der Behelfsbrücke nahe der Kreuzung von B54 und B237 wird wohl bald ausgeschrieben. Eine Information, die Holger Scheel (CDU) “wegen des besseren Verständnisses nachfragte”, schließlich sei die Fertigstellung ja bereits für Ende des vergangenen Jahres versprochen worden.

Eine kuriose Wendung gab es hinsichtlich der Kennzeichnungs- und Kastrationspflicht für freilaufende Katzen, die die Freien Wähler forderten. Im Vorfeld gab dazu breite Zustimmung der anderen Ratsfraktionen, lediglich in Detailfragen wurde “justiert”. Als jedoch über die Beschlussvorlage abgestimmt werden sollte, kam plötzlich ans Tageslicht, dass dies offenbar überhaupt nicht nötig ist. Holger Scheel, der nach eigenem Bekunden den Antrag in der Sache durchaus unterstützt, recherchierte, denn ihm kam das Thema bekannt vor. So kam heraus, dass bereits vor 11 Jahren ein entsprechender Beschluss an die Verwaltung ging. Warum die Sache seinerzeit unter dem damaligen Bürgermeister Frank Emde nicht weiterverfolgt wurde, ließ sich ad hoc nicht klären. Sein Nachfolger Olaf Stelse will nun prüfen lassen, ob der damalige Beschluss noch gültig sei, um die notwendige Genehmigung der Bezirksregierung zu beantragen.

Während das vorhergehende Thema zügig und unter allgemeinem Konsens vorläufig abgehakt wurde, erhitzten sich rund um den vorgelegten Haushalt 2024 die Gemüter. Nicht um die Beschlussvorlage selbst, denn die Arbeit der Verwaltung um Bürgermeister Stelse und Kämmerin Kerstin Steinhaus-Derksen wurde in den Haushaltsreden positiv beurteilt. Selbst FWG-Fraktionschef Schröder hatte an dem Zahlenwerk konkret nicht auszusetzen. Wohl aber an einigen Faktoren, die den Haushalt belasten. Nicht nur in Kierspe, sondern in vielen anderen Kommunen auch. Traditionell werden Haushaltsreden auch genutzt, um auf das “Große, Ganze” einzugehen. Dabei kommen widrige Umstände in der Wirtschaft oder eben auch die Folgen des jüngsten Cyberangriffs zur Sprache.

Die Haushaltsrede von Peter Christian Schröder hallt allerdings nach und führte dazu, dass Anke Pies (Bündnis 90 / Die Grünen) und Oliver Busch (SPD) aus Protest kurzzeitig den Ratssaal verließen. Im Wesentlichen äußerte sich Schröder zu Ausgaben, die den Haushalt der Stadt Kierspe belasten würden, für die Städte und Kommunen aber nach Ansicht seiner Partei zu Unrecht herangezogen würden. Während mancher die genannten Punkte auf Sachebene durchaus für diskutabel hielt, wurde die Rhetorik des FWG-Fraktionsvorsitzenden allerdings als zu populistisch aufgefasst. “Hier kommentiert die Alternative für Kierspe”, entgegnete Holger Scheel daraufhin.

Schröder hat mit Formulierungen wie “sogenannte Flüchtlinge” nicht nur der Asyl- und Migrationspolitik einen Seitenhieb verpasst, sondern auch noch in Richtungen verbal ausgeteilt, die überhaupt keinen Bezug zu Haushalt und Finanzen haben. So wurden dem Leiter der Gesamtschule “faschistoide und menschenverachtende Mittel” unterstellt, mit der Johannes Heintges die Indoktrination von Schülern betreiben würde. An der GSKi wurde kürzlich mit einer spektakulären Aktion auf dem Schulhof aufgezeigt, wie viele Menschen von den aktuellen Abschiebe-Plänen rechter Parteien und Gruppierungen betroffen seien. Die Aktion war in der Ausführung nicht unumstritten, der Sinn und Zweck aber allgemein befürwortet worden. Die allerorts beinahe täglich ausgerichteten Demonstrationen und Kundgebungen zum Erhalt der Demokratie wurden von Schröder als “Gruppenkuscheln gegen rechts” eingeordnet — und als “von der Regierung bestellte Massendemonstrationen.”

Allgemeine Kritik an der Landes- und Bundespolitik gehört zu Haushaltsreden auch in Kommunen dazu, sofern sie sachlich formuliert ist. Unüblich hingegen sind Kommentare des Bürgermeisters zu den Ansprachen der Fraktionsvorsitzenden. Bürgermeister Olaf Stelse, der von Schröder als “gelernter Beamter” bezeichnet wurde, der als solcher “Anordnungen von oben” ohne Murren befolgen würde, machte diesmal aber eine Ausnahme. Er äußerte klares Unverständnis und hoffe, das “in Zukunft nicht mehr mit derartigen Parolen gearbeitet” würde.

Letztlich wurde der Haushalt 2024 vom Rat abgesegnet, wenn auch nicht mit einer so deutlichen Mehrheit wie bei anderen Beschlüssen. Kontrovers, aber sachlich blieb es beim Thema “OGS Elternbeiträge”. Die bisherige Gebührenordnung ist nunmehr 19 Jahre alt und muss an die gestiegenen Kosten der Betreuungseinrichtungen angepasst werden. In der Gesamtsumme soll die neue Satzung dazu führen, dass nicht wie zuletzt 208.000 Euro, sondern rund 322.000 Euro jährlich von den Eltern aufgebracht werden müssen. Auch dies wurde beschlossen, allerdings mit einer großen Zahl Enthaltungen. Über die Notwendigkeit einer neuen Gebührenordnung herrschte Einigkeit, zur Ausgestaltung gab es allerdings unterschiedliche Meinungen.

Beschlossen wurde weiterhin, das die Verwaltung die Entwicklung eines Neubaugebietes im Bereich Bordinghausen / Asternweg vorantreibt. Nicht nur seitens der Fraktion vom Bündnis 90 / Die Grünen gab es dazu Widerstand: Es kamen 13 Nein-Stimmen zusammen. Über eine Personalie wurde bei der Sitzung allerdings auch noch entschieden: Kerstin Steinhaus-Derksen wird zum 1. April allgemeine Vertreterin des Bürgermeisters, nachdem ihre Vorgängerin Dorette Vormann-Berg ihren Ruhestand angetreten hat.

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